Weibo
Studie
22 Minuten Lesedauer

Die Partei kontrolliert (noch) nicht alles

Meinungsvielfalt in Online-Debatten der „neuen Ära" Xi Jinpings

In den vergangenen Jahren hat die Kommunistische Partei Chinas (KPC) die Kontrolle über die chinesische Gesellschaft weiter ausgebaut, vor allem auch im Internet. Es ist schwieriger geworden, von der offiziellen Linie abweichende Meinungen online zu platzieren, ohne dass sie zensiert oder von linientreuen Kommentaren überlagert werden.

Im neuen China Monitor „Die Partei kontrolliert (noch) nicht alles: Meinungsvielfalt in Online-Debatten der ‚neuen Ära’ Xi Jinpings“ (in englischer Sprache) haben die MERICS-Expertinnen Kristin Shi-Kupfer und Mareike Ohlberg untersucht, wie offen in chinesischen Onlineforen heute noch diskutiert werden kann. Noch vor anderthalb Jahren hatte MERICS in einer eingehenden Analyse chinesischer Online-Debatten ein überraschend großes Spektrum unterschiedlicher Meinungen gefunden. Dies hat sich geändert: Abweichende Meinungen sind weiterhin sichtbar. Allerdings wurden liberalere Stimmen seit 2016 deutlich zurückgedrängt.

Folgende zentrale Befunde und Schlussfolgerungen arbeiteten die Autorinnen heraus:

  • Die Kommunistische Partei Chinas (KPC) hat die Kontrolle über die chinesische Gesellschaft weiter ausgebaut und erreicht, dass das Spektrum unterschiedlicher Meinungen im Internet kleiner geworden ist. Seit 2017 hat die chinesische Regierung neue Auflagen eingeführt, durch die sie Nutzer und Inhalte auch in halb-öffentlichen Diskussionsforen und privaten Chatgruppen stärker kontrollieren kann.
  • Bei zwei außenpolitischen Themen ist es der KPC bereits gelungen, Online-Diskussionen nach ihren Vorstellungen zu prägen – der Belt and Road Initiative (BRI) sowie dem Konflikt um Nordkorea. Beide Themen sind von großer Bedeutung für das Ansehen von Staats- und Parteichef Xi Jinping im In- und Ausland.
  • Während die offiziellen parteistaatlichen Narrative die Debatte scheinbar dominieren, zeigt sich in unterschiedlichen sozialen Medien ein differenzierteres Bild. Auf der nationalistischen Plattform Guanchazhe (观察者) und der populären Messaging-App Weibo (微博) entsprechen nahezu 80 Prozent der Beiträge der Position des Parteistaats. Bemerkenswert ist, dass nicht nur auf liberaleren Plattformen wie Maoyankanren (猫眼看人) oder Tianya (天涯), sondern auch im nationalistischen Forum Tiexue (铁血) nur 30 Prozent der Beiträge die Ideologie des Parteistaats widerspiegeln.
  • Das von parteistaatlichen Medien verbreitete Narrativ der „China-Methode“ (中国方案), der ineffizienten und mangelhaften „westlichen“ Konzepten angeblich überlegen ist, hat die Debatten zur BRI und zu Nordkorea in sozialen Medien durchdrungen.
  • Meinungsäußerungen, die von den offiziellen Positionen abweichen, sind in Onlineforen weiter zu finden. Nutzer diskutieren vor allem die Frage, ob die KPC im Interesse des Landes handelt.
  • Im Vergleich zur letzten MERICS-Analyse chinesischer Online-Debatten im Jahr 2016 sind liberale Stimmen auf sämtlichen Plattformen weiter zurückgedrängt worden. Am deutlichsten zeigt sich diese Entwicklung auf Weibo: Noch 2016 lag der Anteil liberaler Stimmen bei 30 Prozent. Ein Jahr später tendierte er gegen Null.
  • Die Zensur schreitet insbesondere bei Beiträgen ein, die potenzielle Risiken des außenpolitischen Geschehens für die chinesische Bevölkerung thematisieren. Zensiert werden auch kritische Äußerungen über Xi Jinping oder das politische System Chinas.
  • Die Ergebnisse unserer Untersuchung deuten darauf hin, dass die chinesische Regierung abweichende Meinungen bis zu einem bestimmten Grad weiter akzeptiert. Die KPC scheint sich sicher genug zu fühlen, um Kritik in Online-Debatten zuzulassen - auch damit sie die Stimmungslage zu bestimmten Themen beobachten und gegebenenfalls beeinflussen kann.

Den kompletten China Monitor in englischer Sprache können Sie hier online lesen oder herunterladen:

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